Billie Jean King Cup

Thriller ohne Happy End: ÖTV-Damen verpassen Déjà-vu-Sieg gegen Mexiko

Melanie Klaffner und Sinja Kraus fehlen im Finish trotz einer starken Leistung nur zwei Punkte.
Verfasst von: Manuel Wachta, 12.11.2023
© GEPA pictures / Walter Luger
Melanie Klaffner (links) und Sinja Kraus (rechts)

Das war nichts für schwache Nerven! Österreichs Damen-Nationalmannschaft hat beim Billie Jean King Cup gegen Mexiko im Multiversum Schwechat nach einem unglaublichen Tenniskrimi mit 2:3 den Kürzeren gezogen. Die Entscheidung fiel in Niederösterreich, vor den Toren Wiens, erst am späteren Sonntagabend auf die knappste nur mögliche Weise: in der Verlängerung des Tiebreaks des dritten Satzes beim alles entscheidenden Doppel. Nach dem 1:1-Zwischenstand nach dem ersten Spieltag hatte an Tag zwei zuerst Sinja Kraus (WTA 192) beim Einserduell mit Fernanda Contreras Gómez (WTA 355) trotz eines Blitzstarts mit verteilter Höchststrafe nach exakt 100 Minuten mit 6:0, 2:6, 4:6 verloren. Mit starkem Kampfgeist konnte aber anschließend Tamira Paszek (WTA 388) dank eines 7:5, 5:7, 6:3, nach 2:35 Stunden Spielzeit, gegen die im Einzel nicht mehr WTA-geführte Doppel-Weltklassespielerin Giuliana Olmos erneut zum 2:2 ausgleichen. Im Doppelmatch wehrten sich abschließend Melanie Klaffner und Kraus doch als Außenseiterinnen gegen Contreras Gómez und Olmos nach Kräften, standen mehrfach kurz davor, wie im Vorjahr beim 3:2 gegen Lettland am gleichen Ort für ein Happy End zu sorgen. Das Glück war am Ende allerdings beim 3:6, 6:3, 6:7 (6) auf Seiten der Gäste. Das ÖTV-Team mit Kapitänin Marion Maruska verpasste hiermit den neuerlichen Einzug in die Qualifikationsrunde zum Finalturnier, wo man im April in Delray Beach den USA mit 0:4 unterlegen gewesen war, und muss kommendes Frühjahr wieder den beschwerlichen Weg über die Europa/Afrika-Gruppe I antreten, um sich dort den erhofften Platz im Play-Off 2024 zu erarbeiten. Die Auslosung für die Europa/Afrika-Gruppe I erfolgt in zwei Wochen, am 26. November.

Am Sonntag fanden sich im Multiversum Schwechat rund 450 Zuseher:innen ein, die die rot-weiß-roten Damen zum Sieg treiben wollten. Unter ihnen einige bekannte Gesichter, so etwa neben Philipp Gerstenmayer (Abgeordneter zum NÖ Landtag – in Vertretung von Niederösterreichs LH-Stellvertreter und Sportreferent Udo Landbauer, MA) Österreichs Davis-Cup-Spieler Dennis Novak, Ex-Davis-Cup-Aushängeschild Alexander Peya (als Co-Kommentator auf ORF SPORT+, das an beiden Tagen live übertrug), die derzeit verletzte heimische Nummer eins Julia Grabher sowie frühere Fed-Cup-Spielerinnen wie Barbara Schett-Eagle, Barbara Schwartz, Patricia Wartusch und Evelyn Fauth. Dazu seitens des Österreichischen Tennisverbands, unter anderen, Martin Ohneberg (Präsident), Jürgen Roth (Vizepräsident), Stephanie Bonner (Vizepräsidentin), Jürgen Melzer (Sportdirektor, Davis-Cup-Kapitän), Thomas Schweda (Geschäftsführer Wirtschaft), Petra Russegger (Leiterin Trainerinnen-Workshops) – und zudem auch Ex-Vizepräsidentin Elke Romauch (seit Donnerstag KTV-Präsidentin). Sie alle sowie die Tennisfans vor den TV-Bildschirmen sahen einen erwartet engen, aber noch viel dramatischeren Länderkampf als im Vorfeld gedacht. Bis zum letzten Punkt wurden die heimischen Damen vehement angefeuert.

Kraus mit „zu vielen Fehlern in den entscheidenden Momenten“, Paszek kampfstark

Auch beflügelt von der Kulisse, startete Kraus im ersten Einzel des Tages geradezu wie aus der Pistole geschossen. Mit gewaltigem Powertennis spielte sie die mit dem Tempo zunächst überforderte Contreras Gómez, die vor Ort durch den Ex-Weltranglistensiebten Emilio Sánchez Vicario betreut wird (der ältere Bruder der Ex-Weltranglistenführenden Arantxa Sánchez Vicario und des Ex-Weltranglisten-23. Javier Sánchez Vicario), an die Wand. Die 21-Jährige ließ ihrer Gegnerin im ersten Satz gerade mal sieben Punkte, nach lediglich 17 Minuten war dieser gelaufen. Doch im zweiten Abschnitt lief es schnell in die andere Richtung: Contreras Gómez verwickelte Kraus zunehmend in längere Rallys – die zu oft mit Eigenfehlern von Österreichs Topspielerin in diesem Länderkampf endeten. Im alles entscheidenden dritten Durchgang vermochte Kraus den Serviceverlust am Anfang zwar dieses Mal gleich wieder wettzumachen, einen weiteren zum 2:3 jedoch trotz einer Chance im letzten Game nicht mehr. „Ich habe im ersten Satz echt richtig gut gespielt, genau das, was ich mir vorgenommen habe“, sagte Kraus nach ihrem Auftritt. „Sie war ja auch, wie man gesehen hat, sehr mit dem Tempo überfordert, das ich gespielt habe. Aber mir war auch klar, dass es so nicht bis zum Ende weitergehen wird. Sie hat immer mehr Bälle zurückgebracht, die Ballwechsel sind immer länger geworden, sie hat immer mehr Druck ausgeübt. Und dann habe ich es halt einfach nicht fertigspielen können.“ In den entscheidenden Momenten habe sie „einfach zu viele Fehler gemacht“.

Paszek war danach bei ihrem zweiten Einzelauftritt diesmal von Beginn weg voll da. Die Ex-Weltranglisten-26. und zweifache Wimbledon-Viertelfinalistin versuchte, die ebenso erfahrene Olmos, die vom Einzel ein Career High von WTA-Rang 343 aus dem Jahr 2019 zu Buche stehen hat, bestmöglich unter Druck zu setzen. Nach dem knapp gewonnenen ersten Satz machte sie aus einem 0:2-Rückstand plötzlich eine 4:2-Führung, trotz drei Breakbällen bei 4:3 und obwohl bei 5:4 und 30:30 bei Rückschlag bloß zwei Punkte zum Sieg fehlten, ging es in einen dritten Durchgang. Dort startete Paszek diesmal gut, eine 2:0-Führung war jedoch schnell wieder weg. Entscheidend war letztlich, dass sie bei 2:2 einen dritten Spielverlust in Serie abwendete, bei 4:3 bei ihrer einzigen Breakmöglichkeit im Finish zuschlug. Unter dem begeisterten Jubel in der Halle servierte sie aus. Was für Paszek den Ausschlag gab? „Dass ich auf jeden Fall aktiver als gestern gespielt habe, versucht habe, in den Ball reinzugehen.“ Beim 4:2 in Satz zwei und Aufschlag Olmos war kurz „die Schulter ein bisschen schwerer war als sonst. Das kam relativ plötzlich.“ Nach kurzer Behandlungspause „habe ich mich echt wieder gut hineingekämpft, wieder gut zu mir gefunden, war geduldig, habe versucht, die Ruhe zu bewahren, gerade auch Anfang des dritten Satzes. In den entscheidenden Momenten habe ich wirklich den kompletten Rückhalt von meinem Team mitnehmen können, von meiner Family, vom Publikum, vom Fanclub, von der Ecke, wo Babsi Schett gesessen ist. Wirklich egal, wo ich hingeschaut habe: Es waren Fäuste zu sehen, es war eine megapositive Stimmung.“ Paszek sprach zudem Maruska „ein Riesendankeschön“ aus, „wie geduldig sie war. Ich habe wirklich oft auch einmal einen Schrei rauslassen müssen, das hat rausmüssen. Sie war dann wieder die Ruhe auf der Bank, die mich auf den Boden zurückgeholt hat. Das war schön.“

Kraus: „Wir haben heute alles auf dem Platz gelassen“

So musste die Entscheidung also wie gegen Lettland 2022, als man ebenfalls einen 0:1- und 1:2-Rückstand aufgeholt hatte, beim Doppel fallen, wo es Österreichs eingespieltes Team Klaffner/Kraus mit Contreras Gómez und Olmos mit den derzeitigen Nummern 126 und 25 des Doppelrankings aufnehmen musste. Die Oberösterreicherin und die Wienerin zeigten dabei jedoch mächtig auf, brachten die deutlich höher gereihten Mexikanerinnen um ein Haar zu Fall. Der erste Satz ging zwar nach 3:1-Führung sowie zwei vergebenen Spielbällen zum 4:4 verloren, doch im zweiten Durchgang kämpften sich die beiden nach 2:3-Breakrückstand bravourös zurück ins Spiel, gewannen satzübergreifend fünf Games in Serie. Im Entscheidungssatz standen sie mehrmals kurz vor dem Überraschungscoup. Zum Problem wurde allerdings, dass Klaffner/Kraus die Breaks zum 1:0, 3:2, 4:3 und 5:4 allesamt nie bestätigen konnten, stets der sofortige Ausgleich folgte. Bei 5:4 und 30:30 fehlten unterm Strich ebenso nur zwei Punkte zum Glück so wie im alles entscheidenden Tiebreak bei 5:5 und 6:6. Das erste Minibreak zum 6:5 bedeutete für die Mexikanerinnen den ersten Matchball, den sie noch vergaben, der zweite saß schließlich aber. Contreras Gómez avancierte dadurch mit allen drei Siegpunkten zur großen Heldin für Mexiko, auch wenn sie den Sieg in der Abschlusspressekonferenz voll und ganz dem Team zuschrieb.

„Wir sind beide sehr, sehr enttäuscht“, bekannte Kraus, „aber wir können trotzdem auch stolz auf uns sein. Es sind halt wirklich nur zwei Punkte, die gefehlt haben. Bei meinem Einzel hat auch nicht viel gefehlt – und dann wären wir als Siegerinnen rausgegangen.“ Vorwurf konnte man sich jedoch keinen großen machen: „Wir haben heute alles auf dem Platz gelassen, wirklich versucht, alles für die Mannschaft zu geben. Es ist schade, dass es jetzt nicht gereicht hat. Wir werden daraus lernen, was mitnehmen fürs nächste Jahr und weiter alles geben“, versprach die 21-Jährige. „Es waren heute alles enge Matches, das Doppel dann supereng. Da waren es zwei Punkte, die uns einfach gefehlt haben“, so Kapitänin Maruska. Die dem Sieg zwar nachtrauerte, „aber man kann natürlich trotzdem auch viel Positives mitnehmen. Beide Gegnerinnen waren auf dem Papier im Doppel weit stärker einzuschätzen. Ich finde, Melanie und Sinja haben wieder ein gutes Doppelmatch gespielt und haben es von Anfang an sehr, sehr gut gemacht. Und zum Schluss hat halt das Alzerl gefehlt.“

Ohneberg: „Das Quäntchen Glück hat gefehlt“ – Wiederaufstieg im Visier

Auch ÖTV-Präsident Martin Ohneberg trauerte so wie das restliche Team dem ungemein knapp verpassten Sieg nach: „Ein Billie-Jean-King-Cup-Krimi gegen Mexiko geht letztlich leider mit einer schmerzlichen Niederlage zu Ende. Emotionen, Höhen und Tiefen haben die Auseinandersetzung bestimmt. Der Kampfgeist hat gestimmt, das Quäntchen Glück hat letztlich gefehlt“, resümierte das Verbandsoberhaupt. „Mir tut diese Niederlage am meisten für Marion und die Mannschaft leid, vor allem für unsere zwei Spielerinnen, die im Doppel so stark gespielt haben“, bekannte ÖTV-Geschäftsführer Wirtschaft Thomas Schweda. „So knapp verliert man nicht gerne, aber das ist leider der Sport.“

In der Europa/Afrika-Gruppe I ist es „natürlich unser Ziel, dass wir es wieder nach oben schaffen. Wir können das schon schaffen“, meinte Maruska, doch dies sei selbst mit der aktuell ums Comeback kämpfenden heimischen Topspielerin Julia Grabher an der Spitze schwer. „Diese Europa-Afrika-Gruppe ist auch extrem stark. Nicht mal Kroatien mit zwei Top-100-Spielerinnen mit Petra Martic und Donna Vekic hat es geschafft, dass sie dann so weit wie wir kommen. Das muss man auch mal sagen. Da bin ich auch wirklich stolz auf unser Team, dass wir das letztes Jahr geschafft haben, hinaufzukommen.“

Billie Jean King Cup 2023, Play-Off im Multiversum Schwechat:

Österreich – Mexiko 2:3
Tamira Paszek – Fernanda Contreras Gómez 2:6, 5:7
Sinja Kraus – Giuliana Olmos 7:5, 6:2
Sinja Kraus – Fernanda Contreras Gómez 6:0, 2:6, 4:6
Tamira Paszek – Giuliana Olmos 7:5, 5:7, 6:3
Melanie Klaffner / Sinja Kraus – Fernanda Contreras Gómez / Giuliana Olmos 3:6, 6:3, 6:7 (6)

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