Glossar
Unser Glossar liefert Informationen zu speziellen Begriffen, die in unserem Leitfaden verwendet werden und vielleicht noch ein wenig Erklärung zum besseren Verständnis erfordern. Diese Begriffe sind an denentsprechenden Stelle jeweils mit einem (*) gekennzeichnet.
Ballschule Heidelberg
Die Ballschule Heidelberg wurde 1998 von Prof. Dr. Klaus Roth, Professor für Bewegungs- und Trainingswissenschaft am Institut für Sport und Sportwissenschaften der Universität Heidelberg gegründet. Von 2008 bis 2010 leitete er gemeinsam mit Prof. Oliver Höner (Universität Tübingen) die wissenschaftliche Begleitung des weltweit größten Talentförderprojekts - des Stützpunktsystems des Deutschen Fußballbundes (DFB).
Prof. Roth ist vor allem durch seine Veröffentlichungen zum motorischen Lernen, zur motorischen Entwicklung, zur Differentiellen Motorikforschung (koordinative Fähigkeiten) sowie zum Training im Kindes- und Jugendalter national und international bekannt geworden. Durch seine Arbeiten zur motorischen Frühförderung hat er einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung von Bewegungsprogrammen für Kindergarten- und Grundschulkinder genommen.
Long-Term Athlete Development (LTAD)
Das Long-Term Athlete Development Modell (LTAD) beruht auf den Arbeiten von Balyi, Way & Higgs (2013). Es liefert einen strukturierten, mehrstufigen Leitfaden für den langfristigen Leistungsaufbau. Betrachtet man die ersten drei Stufen des LTAD-Modell etwas genauer, zeigt sich, dass in diesem Alter kein Platz für eine Frühspezialisierung der Kinder ist.
Die drei Stufen Active Start (0-6 Jahre), FUNdamentals (7-9 Jahre) und Learning to Train (10-12 Jahre) fördern zunächst den vielseitigen Erwerb von Bewegungskompetenz vor der Pubertät. Damit erwerben die Kinder die grundlegenden Fähigkeiten, um ein Leben lang aktiv zu sein. Vielseitige Bewegungserfahrungen bildet die Grundlage für diejenigen, die sich nach dem 12. Lebensjahr für ein Spitzentraining in einer Sportart entscheiden.
Biologisches vs. Kalendarisches Alter
Wenn wir vom kalendarischen Alter (auch chronologisches Alter) sprechen, meinen wir die Zeitspanne zwischen Geburt bis zum heutigen Tag. Das kalendarische Alter gibt aber nur bedingt Auskunft über den Leistungszustand des Körpers und des Geistes. Viel aussagekräftiger ist hier das biologische Alter (auch metabolisches Alter). Dieses verrät uns, in welchem Zustand unser Körper wirklich ist. Zwischen kalendarischem Alter und biologischem Alter liegen oft Jahre. Diese Unterschiede lassen sich häufig bereits Kindern gut erkennen.
In der Praxis bedeutet das: Unterschiede im biologischen Alter innerhalb einer kalendarischen Altersklasse bedeuten in der Mehrzahl der Sportarten Vorteile von Leistungseigenschaften der Frühentwickler auf Grund positiver Beziehungen zu Kraft- und Ausdauerfähigkeit.
Motorische Basiskompetenzen
Motorik beschreibt die inneren Vorgänge (koordinative Steuerungs- und konditionelle Funktionsprozesse), die Bewegung das äußerlich sichtbare Geschehen. Sehr stark vereinfacht könnte man motorische Kompetenz als die Befähigung für die Erfüllung bestimmter motorischer Leistungsanforderungen definieren.
Kinder erwerben in der frühen Kindheit zunächst elementare Basisfertigkeiten der Alltagsmotorik wie Gehen, Laufen, Springen, Werfen usw., die zunehmend optimiert werden. Diese bilden die unverzichtbare Grundlage für die spätere Entwicklung sportmotorischer Fertigkeiten in verschiedenen Sportarten und die die Teilnahme an einem sportartspezifischen Training. Auf der Basis der im Kindesalter erworbenen Motorik werden Bewegungshandlungen im gesamten weiteren Leben ausgeführt.
Perzeptiv-motorische Basiskompetenzen
So einfach das kontrollierte hin und her Schlagen eines Balles auf den ersten Blick auch erscheinen mag, setzt es doch eine Reihe von Kompetenzen voraus. Dabei spielt vor allem die Wahrnehmung (Perzeption) und Informationsverarbeitung, sowie die kontrollierte motorische Umsetzung eine zentrale Rolle. Genau hier haben viele Kindern noch große Defizite, da wertvolle Erfahrungen im Spielen mit Bällen nicht (ausreichend) gemacht wurden.
In der Praxis ist also entscheidend, dass ein Kind schnell genug die Richtung, Länge, Höhe und Geschwindigkeit eines heranfliegenden Balles antizipieren und wahrzunehmen kann, den Aufsprungpunkt und das Absprungverhalten des Balles richtig einschätzt und den Laufweg zum Ball entsprechend anpassen kann. Nur so wird es ihm möglich sein einen geeigneten Treffpunkt zum Schlagen des Balles zu erreichen.
Elementare Ballfertigkeiten
Elementarer Ballfertigkeiten wie Werfen, Fangen, Prellen, Dribbeln, Kicken oder Schlagen waren früher fester Bestandteil der Alltagsmotorik der Kinder. Vor allem durch vielseitiges Spielen mit Hand, Fuß und Schlägern wurden diese meist unangeleitet erworben. In der Praxis beobachten wir, dass Kinder heute oft wesentlich früher in die Vereine oder Tennisschulen kommen, als dies noch vor vielen Jahren der Fall war.
Während in der Vergangenheit die Technik und die taktische Kreativität durch vielseitiges, freies und unangeleitetes Spielen auf Straßen, Schulhöfen oder in Parks entwickelt wurden, gibt es heute dafür nur noch wenige Gelegenheiten. In den Vereinen werden die Kinder vorrangig sportartspezifisch ausgebildet. Sie werden - so könnte man sagen - „trainiert, bevor sie selbst spielen können“ (Schmidt, 1994).
Spielerische Basiskompetenzen
Unter spielerischen Basiskompetenzen verstehen wir die sportspielübergreifenden Komponenten der Spielfähigkeit (oder generelle Spielvoraussetzungen) als notwendige Bedingung für „jedwedes Spielen-Können“ (Medler & Schuster, 2000). Angestrebt wird die Vermittlung allgemeiner Kompetenzen bzw. eines breiten Fundamentes, das ein schnelles und effektives Lernen in mehr oder weniger allen Sportspielen garantieren soll.
Für die Praxis bedeutet das, dass die Kinder also zunächst, wie es in den Programmen der Ballschule Heidelberg (Mini-Ballschule) der Fall ist, vielseitig mit Hand, Fuß und Schläger spielen. Im Vordergrund steht hier das freie und unangeleitete Spielen bei dem ständige Korrekturen und Instruktionen möglichst unterlassen werden sollen. Für den spielerischen Einstieg ins Tennis (Ballschule Tennis) bedeutet dass, das zu Beginn die Vermittlung des eigentlichen Spiels – also der Lösungskompetenzen für die Situationen/Aufgaben im Kindertennis – dem Üben von motorischen Ausführungsformen vorangestellt wird.
Implizites vs. Explizites Lernen
Lernen, dass mit Üben verbunden ist (z.B. Vokabeln oder Bruchrechnen) bezeichnen wir als explizites Lernen. Es ist aber auch möglich, sich nebenbei Wissen oder motorisches Können anzueignen, ohne sich anzustrengen und ohne, dass uns das bewussr wird. In diesem Fall sprechen wir von impliziten Lernen. Zum Beispiel erwerben Kinder irgendwann die wesentlichen Regeln der Grammatik ihrer Muttersprache, ohne dass es ihnen möglich wäre, diese Regeln zu benennen. Es gilt heute als unstrittig, dass das Meiste von dem, was wir Menschen im Laufe unseres Lebens lernen, implizit erworben worden ist.
Für die Praxis bedeutet das, dass Kinder keine bewussten Anleitungen zum Erlernen der spielerischen Basiskompetenzen erhalten. Im Vordergrund stehen Spielsituationen für die sie Lösungen finden sollen. Sie handeln zunehmend situationsgerechter, einfach deshalb, weil sie umfangreiche breite, vielseitige spielerische Erfahrungen sammeln.
Tennisspezifische Ausbildung
Die tennisspezifische Ausbildung der Kinder sollte keinesfalls zu früh erfolgen! Ungeachtet der von den Kindern bereits erworbenen perzeptiv-motorischen Basiskompetenzen, beginnt diese aber meist, wenn sie in den Verein oder die Tennisschule kommen. Auch die Eltern erwarten sich dann, dass der vom Trainer zugespielte Ball mit Vorhand und Rückhand über das Netz geschlagen werden muss. Für Inhalte zur Förderung der Allgemeinmotorik zeigen sie leider oft wenig Verständnis.
Die Kinder sollten also unbedingt über ausreichend perzeptiv-motorische Basiskompetenzen verfügen, wenn sie ihre tennisspezifische Ausbildung beginnen. Zu den spielerisch unangeleiteten Erfahrungen mit Ball und Schläger kommen jetzt verstärkt Instruktionen und Korrekturen des Trainers zum Beispiel in Bezug auf eine korrekte Griffhaltungen oder technische Ausführung von Schlägen. Entscheidend ist jetzt aber, dass das Kind auch in der Lage ist, diese Anweisungen kognitiv zu verstehen und praktisch umzusetzen. Fehlende Grundlagen führen hier sehr schnell zu einer Überforderung des Kindes und in der Folge zum Interesseverlust.
Technisch-taktische Basiskompetenzen
Die Vermittlung technisch-taktischer Basiskompetenzen steht in direktem Zusammenhang mit der tennisspezifischen Ausbildung, die wie beschrieben, keinesfalls zu früh erfolgen sollte. "Technik ist eine spezifische Abfolge von Bewegungen oder Teilbewegungen beim Lösen von Sportsituationen" (Mechling & Carl, 2003). Diese Beschreibung gibt einen wichtigen Hinweis darauf, dass die Technik eine Art Mittel zum Zweck im Spiel darstellt und eng mit der jeweils günstigen Auswahl eines Schlages in einer Spielsituation verknüpft ist. Spieler:innen müssen also bei jedem Schlag die technische Ausführung ihres Schlages mit einer taktischen Absicht verknüpfen. Die Vermittlung technischer-taktischer Basiskompetenzen sollte demnach nicht voneinander isoliert betrachtet werden.
Das Ziel der Technikschulung sollte zunächst in der Vermittlung einer soliden Basistechnik bestehen, welche die wesentlichen Komponenten des jeweiligen Schlages umfassen und möglichst neutral gehalten wird. Es gilt vor allem jene Grundlagen zu schulen, die eine kontiuierliche technisch-taktische Entwicklung der Spieler:innen gewährleisten und sich später nicht als leistungslimitierende Faktoren herausstellen und ein mühevolles, meist frustrierendes Um- bzw. Neulernen erfordern.